Essenzielle Fette: Mindestmengen für Vitamine, Hormone und Wohlbefinden

Zunächst sollten wir uns im Klaren darüber sein, was „brauchen“ überhaupt genau meint. Wie hoch muss also die Mindestfettaufnahme sein, damit wir nicht an „Unterfettung“ sterben?

Dieser Artikel bezieht sich auf gesunde Erwachsene, hat also nichts mit irgendeiner medizinischen Beratung oder Ernährungsberatung zu tun.

Vorbeugung gegen Gallensteine

Die Gallenblase ist ein kleines Organ, das sich im rechten oberen Quadranten des Abdomens befindet. Ihre Hauptfunktion ist die Speicherung von Gallenflüssigkeit, die von der Leber produziert wird. Wenn wir eine fetthaltige Mahlzeit essen, setzt die Gallenblase Galle frei, um die Fettverdauung zu erleichtern.

Gallensteine sind kleine, harte, kieselsteinartige Objekte, die sich bilden, wenn die Galle in der Gallenblase aushärtet. In vielen Fällen verursachen Gallensteine keine spürbaren Symptome. Wenn sie jedoch einen Gallengang blockieren, können sie zu einer schmerzhaften Ansammlung von Galle führen und schließlich die operative Entfernung der Gallenblase erforderlich machen.

Seit etlichen Jahrzehnten wissen wir, dass die Bildung von Gallensteinen zu jenen durchaus häufigen Nebenwirkungen gehört, die sich immer wieder im Zuge klinischer Studien zur Gewichtsabnahme ergeben, insbesondere dann, wenn die Reduktion des Körpergewichts sehr schnell und intensiv erfolgt.

So können manche Programme zur Gewichtsabnahme dazu führen, dass die Leber zusätzliches Cholesterin in die Galle abgibt, wodurch sich das Risiko der Gallensteinbildung erhöht. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass sich die Freisetzung von Gallenflüssigkeit bei stark eingeschränkter Fettzufuhr deutlich verringert, was dazu führt, dass ein Großteil der Gallenflüssigkeit über einen längeren Zeitraum in der Leber verbleibt.

Nicht selten beschränken derartige klinische Diäten die Energiezufuhr auf 500 bis 800 kcal pro Tag, sodass die Fettzufuhr nicht einmal bei 10 kcal pro Tag liegt. Da nimmt es nicht wunder, dass solche Diäten nachweislich mit einem hohen Risiko der Gallensteinbildung verbunden sind.

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Essenzielle Fettsäuren sind wichtig

Jeder Mensch hat einen bestimmten Bedarf an essenziellen Fettsäuren. Jede einzelne davon erledigt spezielle physiologische Aufgaben im Körper, denn aus der Struktur der Fettsäure ergibt sich direkt ihre Funktion. Fettsäuren bestehen aus einer Carbonsäure, die an eine beliebig lange Kohlenwasserstoffkette gebunden ist. Daher spricht man von kurz-, mittel- und langkettigen Fettsäuren.

Ein weiteres Strukturmerkmal ist die Anzahl und Verteilung der Einfach- und Doppelbindungen. Gesättigte Fette sind durch Einfachbindungen gekennzeichnet. Einfach ungesättigte Fette verfügen über eine Doppelbindung und mehrfach ungesättigte Fette haben zwei oder mehr Doppelbindungen.

Bei Omega-3-Fettsäuren befindet sich die erste Doppelbindung an der dritten Position des omegaförmigen Endes der Kette und ist damit maximal von der Carbonsäure entfernt. Bei Omega-6-Fettsäuren hingegen befindet sich die erste Doppelbindung an der sechsten Position des Omegas.

Außerdem können wir einige ungesättigte Fettsäuren an der räumlichen Ausrichtung ihrer Kohlenwasserstoffkette identifizieren. Ungesättigte Fettsäuren haben mindestens eine Doppelbindung, die zwei Kohlenstoffatome miteinander verbindet, wobei an jedem Kohlenstoffatom ein Wasserstoffatom hängt.

Befinden sich die Wasserstoffatome auf derselben Seite der Doppelbindung, handelt es sich um eine „cis-Formation“. Sind sie aber auf den gegenüberliegenden Seiten der Doppelbindung anzutreffen, reden wir von einer „trans-Formation“. Dies erklärt die Begriffe „cis“- und „trans“-Fettsäuren. Viele wissen, dass die sogenannten Transfette besonders schädlich sind.

Eigentlich sind wir Menschen recht gut darin, die Bausteine der Fettsäuren umzuordnen und sie weitgehend austauschbar zu machen, da wir über die notwendige enzymatische Maschinerie verfügen. So zerlegen wir lange Fettsäureketten in kürzere oder machen aus kürzeren dann eben längere, um zwischen gesättigten und ungesättigten Bindungen zu wechseln.

Allerdings kommen wir bei Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren an unsere Grenzen, weil uns genau jene Enzyme fehlen, die eine Doppelbindung an der dritten und sechsten Position dieser langkettigen Fettsäuren aufbauen könnten. Doch gerade diese Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren brauchen wir für unsere Gesundheit. Das bedeutet, wir müssen dringend Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren von außen mit der Nahrung aufnehmen. Genau diesen Umstand beschreibt das Wort essenziell.

Ein klinisch relevanter Mangel an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren kommt sehr selten vor. Insofern lassen sich Mindestwerte für die Ernährung kaum seriös angeben. Eine sogenannte „angemessene Zufuhr“ von Linolsäure wurde für Männer auf 17 Gramm pro Tag und für Frauen auf zwölf Gramm abgeschätzt.

Bei Alpha-Linolensäure sollte die tägliche Zufuhr für Männer wenigstens bei 1,6 Gramm und für Frauen bei 1,1 Gramm liegen. Diese Fettsäure kann unser Körper zur Produktion von EPA und DHA (Fischöl) verwenden.

Im Rahmen der Ernährung schauen wir uns dazu zwei Beispiele an. Distelöl und Erdnussöl enthalten beide Omega-6-Linolsäure. Allerdings liegt dessen Anteil im Distelöl bei 70 Prozent, im Erdnussöl nur bei circa 20 Prozent. Chiasamen und Walnüsse sind Quellen für ?-Linolensäure (Omega-3).

Das Öl aus den Hanfsamen enthält mehr als 60 Gewichtsprozent ?-Linolensäure, jenes aus Walnüssen aber nur ungefähr zehn Prozent.  Um das Ganze etwas abzukürzen, kann man sagen, dass es vernünftig zu sein scheint, den Bedarf an essenziellen Fettsäuren durch den Verzehr von mindestens 20 Gramm Fett pro Tag zu decken.

Aufnahme fettlöslicher Vitamine

Die Vitaminabsorption unseres Körpers ist ein komplexes Feld, denn es gibt viele noch nicht ganz verstandene Wechselwirkungen zwischen den Mikronährstoffen mit der Folge, dass manche in Gegenwart bestimmter anderer Mikronährstoffe weniger gut und andere wiederum vermehrt aufgenommen werden. Wir wissen, dass die Vitamine A, D, E und K fettlöslich sind und deshalb in Kombination mit Nahrungsfetten deutlich besser vom Körper aufgenommen werden.

Einer Studie zufolge gelingt die kurzfristige Vitamin-D-Aufnahme bei fettarmen Mahlzeiten besser als bei fettlosen Mahlzeiten, aber auch besser als bei fettreichen Mahlzeiten:

Hinsichtlich der Aufnahme von Vitamin E ist sich die Wissenschaft nicht so ganz einig darüber, welche Rolle die Fette dabei spielen:

Fettlösliche Vitamine können in der Tat im Körperfett und in anderen Geweben zur späteren Verwendung gespeichert werden. Daher können diejenigen, die Schwierigkeiten bei der Fettaufnahme aus Mahlzeiten haben, von einem Mangel an fettlöslichen Vitaminen betroffen sein:

Insofern sollte jeder der Empfehlung folgen, dass wenigstens zehn Prozent der Kalorienaufnahme aus Nahrungsfetten stammen sollten:

Eines sollte bei all diesen Diskussionen klar sein: Wenn Sie sich dazu entscheiden, weniger Kalorien aufzunehmen, sinkt deshalb nicht automatisch Ihr Vitaminbedarf. Da die meisten Menschen (im Durchschnitt) 2.000 bis 2.500 kcal pro Tag zu sich nehmen, ist ein Fettbedarf zwischen 22 und 28 Gramm pro Tag eine realistische Größenordnung.

Sexualhormonspiegel

Viele Studien haben gezeigt, dass eine Reduzierung der Fettaufnahme zu einer Verringerung des zirkulierenden Sexualhormonspiegels führen kann. Wir wissen auch, dass verringerte Sexualhormonspiegel bei einer Vielzahl von Wettkampfsportarten, insbesondere Ausdauersportarten zu beobachten sind. Im Jahre 2021 erschien von Whittaker et al. eine Metaanalyse, in der der Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Nahrungsfett und dem Testosteronspiegel bei Männern untersucht wurde:

Diese Analyse ergab, dass fettarme Ernährung zu einer statistisch signifikanten Verringerung des Gesamttestosterons, des freien Testosterons, des Dihydrotestosterons (DHT) und des Testosterons im Urin führte. Für das luteinisierende Hormon und das Sexualhormone bindende Globulin wurde dagegen keine signifikante Verringerung beobachtet.

Ähnliche Effekte wurden für den Östrogenspiegel bei Frauen beobachtet. Eine Metaanalyse von 1999 zeigte, dass die Umstellung von einer fettreichen auf eine fettarme Ernährung den Östrogenspiegel senkte. Besonders ausgeprägt war der Rückgang, wenn der Fettanteil unter 20 Prozent der Gesamtenergiezufuhr fiel:

Die Fettaufnahme prozentual auf die Gesamtenergieaufnahme zu beziehen, ist bei extrem kalorienarmer Ernährungsweise nicht sinnvoll, weil dadurch die Konzentration der zirkulierenden Sexualhormone zu stark reduziert werden würde. Kommen wir noch einmal auf die übliche Kalorienzufuhr von 2000 bis 2500 kcal pro Tag zurück. Will man 20 Prozent davon in Form von Fett zu sich nehmen, bedeutet dies 45 bis 55 Gramm Fett pro Tag.

Eine zu niedrige Fettzufuhr ist allerdings nicht der einzige Grund für einen zu niedrigen Sexualhormonspiegel bei Ausdauer- und Kraftsportlern. Oftmals liegt es an einer unzureichenden Energiezufuhr im Hinblick auf die hohe Trainingsbelastung. Wer nun also glaubt, dass durch die tägliche Aufnahme von 60 Gramm Fett diesbezüglich alles ins Reine kommt, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Praktische Konsequenzen

Nahrungsfette haben große Einflüsse auf den Geschmack und Geruch des Essens, auf das Mundgefühl und die hedonischen Eigenschaften der Mahlzeiten (hedonisch meint stets eine Bestrebung nach Genuss und Zufriedenheit):

Tatsächlich ist Fett in den meisten Lebensmitteln enthalten, auch in jenen, die wir eher als Eiweiß- oder Kohlenhydratquellen betrachten. Sogar vermeintlich fettfreie Lebensmittel enthalten Spuren von Fett. Insofern ist es wirklich nicht einfach, eine Diät mit weniger als 20 Gramm Gesamtfett zusammenzustellen. Deshalb liegt die tägliche Fettzufuhr der meisten Menschen in der Praxis deutlich höher als der physiologische Mindestbedarf.

Fazit

Eine eindeutige Angabe zur erforderlichen Mindestaufnahme von Fetten, die für alle Menschen gilt, gibt es heute nicht und sie wird es auch in Zukunft nicht geben. Die bisherigen Studien haben aufgezeigt, dass eine Gesamtfettzufuhr von sieben bis zwölf Gramm pro Tag ausreicht, um dem Risiko einer Gallensteinbildung, das mit sehr fettarmen Diäten verknüpft ist, effektiv entgegenzuwirken. Wenn Sie also die Aufnahme fettlöslicher Vitamine und Ihren Sexualhormonspiegel unterstützen möchten, wovon wohl auszugehen ist, sollten Sie die folgende Tabelle stets griffbereit haben:

Ungefähre Heuristiken für die absolute Mindestfettzufuhr
Hauptsächliche Motivation Fett-Mindestaufnahme in g/Tag
Vermeidung der Bildung von Gallensteinen 7 – 12
Unterstützung der Aufnahme essenzieller Fettsäuren 20 – 30
Unterstützung der Aufnahme fettlöslicher Vitamine 20 – 30
Stabilisierung des Sexualhormonspiegels 40 – 60
Wichtige Hinweise: Es handelt sich um Näherungswerte, die von einer eher überschaubar großen Datenbasis abgeleitet wurden. Diese absoluten Mindestwerte sollten auf keinen Fall mit Empfehlungen verwechselt werden. Die Werte beziehen sich auf gesunde Erwachsene und dürfen nicht als medizinische Beratung aufgefasst werden.

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Dieser Beitrag wurde am 02.06.2024 erstellt.

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