Fettsäuren

Phosphatidylcholin – Hier wissenschaftlich fundiert: Fakten, Studien & Nutzen

Informationen aus der Naturheilpraxis René Gräber

René Gräber
René Gräber

Das Phosphatidylcholin gehört zur Klasse der Phospholipide. Diese organischen Verbindungen sind  sowohl wasser- als auch fettlöslich.

Phospholipide treten in zwei Unterklassen auf, den Sphingomyelinen und den Phosphoglyceriden, zu denen das Phosphatidylcholin gehört. Die Grundstruktur der Phospholipide ist ein Lipid (Fett).

Fette bestehen aus Glycerin, an das 3 Fettsäuren gebunden sind. Bei Phosphoglyceriden ist eine dieser Fettsäuren durch eine Phosphatgruppe ersetzt, die als endständige Gruppe eine weitere wasserlösliche Gruppe trägt. Bei Phosphatidylcholin ist dies Cholin.

Cholin ist ein wasserlöslicher, vitaminähnlicher Nährstoff, der aus einer Ammoniumverbindung besteht. Zum Cholin habe ich hier ausführlicher geschrieben: Cholin – Wirkung, Anwendung und Studien.

Die Fettsäuren auf der einen Seite und Phosphat und Cholin auf der anderen machen das Molekül sowohl wasserlöslich, als auch fettlöslich.

Damit erlaubt Phosphatidylcholin ein Emulgieren von Fetten und Wasser, was sie zu natürlichen Emulgatoren macht. Der alte Name für Phosphatidylcholin lautet übrigens Lecithin und ist in der EU als Lebensmittelzusatzstoff (E 322) für Lebensmittel, inklusive Bioprodukte, zugelassen, wobei Säuglingsnahrung ausgeschlossen ist. Der ursprüngliche Begriff „Lecithin“ bezeichnet ein Gemisch aus mehreren Phospholipiden.

Bei Phosphatidylcholin handelt es sich um eine natürliche Substanz, die auch industriell zumeist aus Sojabohnen hergestellt wird. Sie ist eine Hauptkomponente von biologischen Membranen, die eine bimolekulare Schicht aus Phospholipiden darstellen. Die Moleküle konfigurieren sich dabei dergestalt, dass ihre fettlöslichen Anteile nach innen, und die wasserlöslichen Anteile nach außen zeigen.

Das Innere der Schicht wird also durch die Fettsäurereste zusammengehalten, während die wasserlöslichen Oberflächen der Membran ins Zellinnere einerseits und zum Extrazellular-Raum andererseits weisen. Die äußere Lage der Membran enthält nur 50 %  Phosphatidylcholin.

So sind alle Zellmembranen von Pflanzen und Tieren aufgebaut und alle enthalten Phosphatidylcholin. Nur bei den meisten Bakterien, inklusive Escherichia coli., ist dies nicht der Fall. Membranen bilden den Zellkörper und grenzen ihn nach außen ab. Damit formen sie die Grund-Struktur und die kleinste Einheit des Lebens. Membranen trennen auch unterschiedliche Reaktions-Räume in der Zelle funktionell voneinander ab. In den Mitochondrien sorgen Membranen für die Ladungstrennung innerhalb des Elektronen-Transportes der Atmungskette.

Dieser Prozess liefert Stoffwechsel-Energie in Gestalt von ATP, der „Energie-Währung“ der Zelle und unseres Körpers. Die Phospholipide sind also  für höhere Zellen lebenswichtige Verbindungen. Weitere Beispiele für wichtige Membran-Bildner sind Cardiolipin (Mitochondrien) und Phosphatidylethanolamin, das zu Phosphatidylcholin umgewandelt werden kann.

Der Verzehr von Eigelb und Pflanzenölen sowie vielen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln (bevorzugt auf organischer Basis) garantiert in der Regel eine ausreichende Versorgung mit Phosphatidylcholin, sodass eine Versorgung über Nahrungsergänzungsmittel mit synthetischem Phosphatidylcholin höchstwahrscheinlich überflüssig ist. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel!

Im Netz gibt es etliche Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln, die Phosphatidylcholin unter der Bezeichnung PPC als neue Super-Substanz anbieten, wobei häufig der Eindruck vermittelt wird, dass alles Leiden dieser Welt auf einem Mangel an PPC beruht. Oral und per Infusion soll PPC in der „Zellmembran-Therapie“ viele Krankheiten heilen helfen. Besonders die Mitochondrien-Funktion und damit die Energiebereitstellung im Körper soll durch PPC gefördert werden. Mit solchen Versprechungen wird der Verbraucher gelockt.

Einige Zeilen später kommt dann logischerweise der „jetzt kaufen“ Knopf, der auf die Bestellseite und zur virtuellen Kasse führt. Darum ist es vielleicht einmal mehr interessant zu erfahren, was wissenschaftliche Untersuchungen, die keine Produkte zu verkaufen haben, zu diesen Behauptungen zu sagen haben.

Wissenschaft des Phosphatidylcholins

Wirkung auf das Gehirn

Ein altes Produkt aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel ist das Buer-Lecithin, das unter anderem als ein vorbeugendes Mittel gegen vorzeitiges geistiges Altern empfohlen wird (Ältere Leserinnen und Leser erinnern sich sicher noch an die penetrante Fernsehwerbung damals…).

Grund hierfür liefert das Argument, dass Lecithin maßgeblich an der Neubildung von Nervenfasern beteiligt ist, und Lecithin somit lebenswichtige Steuerungsvorgänge im Gehirn und Nerven positiv beeinflusst.

m Tierversuch mit Mäusen, bei denen ein vorzeitiges Altern von Gehirn und zentralem Nervensystem bedingt durch schweren oxidativen Stress vorlag, versuchten Wissenschaftler durch die Gabe von PPC den Einfluss auf eine mögliche Verlangsamung des Alterungsprozesses zu bestimmen.

Learning behaviour and cerebral protein kinase C, antioxidant status, lipid composition in senescence-accelerated mouse: influence of a phosphatidylcholine–vitamin B12 diet

Die vorgeschädigten Mäuse zeigten im Hippocampus (die zentrale Schaltstelle für das limbische System – Verarbeitung von Emotionen und Entstehung von Triebverhalten) eine signifikant herabgesetzten enzymatische Aktivität im Vergleich zu nicht vorgeschädigten Mäusen. In großen Teilen des Gehirns beobachteten die Autoren ein höheres Maß an Lipidperoxiden. Die Gabe von PPC, zusammen mit Vitamin B 12, erhöhte die enzymatischen Aktivitäten im Hippocampus auf das Niveau von gesunden Tieren.

Daraus schlossen die Autoren, dass PPC zusammen mit Vitamin B12 als Nahrungsergänzungsmittel einen positiven Einfluss auf den Alterungsprozess des zentralen Nervensystems hat.

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Demenz

Eine viel frühere Arbeit aus Japan, datierend auf das Jahr 1995, zeigte sogar einen möglichen Effekt bei Demenz:

Administration of phosphatidylcholine increases brain acetylcholine concentration and improves memory in mice with dementia.

Bei dieser Arbeit wurde Mäusen PPC aus Eiern zugeführt. Untersucht wurden Mäuse mit Demenz und gesunde Tiere. Gemessen wurden Erinnerungsvermögen und die Konzentrationen von Serum-Cholin und die Konzentrationen von Cholin und Acetylcholin, sowie die Aktivität der Cholin-Acetyltransferase in drei Regionen des Vorderhirns (Kortex, Hippocampus und das restliche Vorderhirn).

Mäuse mit Demenz und damit verbundenem eingeschränkten Gedächtnisvermögen zeigten deutlich erniedrigte Konzentrationen an Acetylcholin. Die Autoren gaben 100 Milligramm PPC oder Wasser für die Kontrollgruppe für den Zeitraum von 45 Tagen. Die Gabe von PPC bewirkte bei diesen Mäusen eine Verbesserung der Gedächtnisleistung und erhöhte allgemein die Konzentration von Cholin in allen Bereichen des Gehirns.

Die Konzentrationen von Acetylcholin wurden ebenfalls unter der Gabe von PPC auf das Niveau von gesunden Mäusen angehoben. Des Serum-Cholin, dass bei dementen Mäusen ebenfalls weit unter den Konzentrationen der gesunden Mäuse lag, normalisierte sich ebenfalls unter der PPC-Gabe. Die Autoren schlossen daraus, dass der Mangel an PPC bei dementen Mäusen nicht auf Problemen bei der Resorption der Substanz beruht.

Die Autoren schlossen aus allen diesen Beobachtungen, dass die Gabe von PPC bei Mäusen mit Demenz zu einer Erhöhung von Acetylcholin im Gehirn führt und damit verbunden zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung.

Diese positiven Studien und deren Ergebnisse sind Grund genug für die Annahme, dass ähnliche Effekte auch beim Menschen zum Tragen kommen können. Eine 2003 durchgeführte Metaanalyse aus dem Hause Cochrane kam jedoch zu weniger ermutigenden Ergebnissen:

Lecithin for dementia and cognitive impairment.

Insgesamt fanden die Autoren zwölf klinische Studien mit insgesamt 265 Patienten mit Alzheimer 21 Patienten mit Parkinson und 90 Patienten mit Gedächtnisproblemen. Die Autoren bemerkten, dass keine der eingeschlossenen Arbeiten deutliche klinische Effekte beziehungsweise Vorteile von PPC bei Alzheimer oder Parkinson anbieten konnte. Signifikant gute Wirkung zeigte PPC nur bei Studien, bei denen Patienten mit Gedächtnisstörungen mit der Substanz behandelt worden waren.

Die Autoren der Metaanalyse kommen somit zu dem Schluss, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine klinischen Studien gibt, die den Einsatz von Lecithin zur Behandlung von Demenz rechtfertigen können.

Nur drei Jahre später gab es tendenziell anderslautende Ergebnisse aus einer Nachuntersuchung der berühmten Framingham Studie:

Plasma phosphatidylcholine docosahexaenoic acid content and risk of dementia and Alzheimer disease: the Framingham Heart Study.

Diese Arbeit untersuchte ob PPC, dessen Fettsäureanteil aus einer Omega-3-Fettsäure (DHA) besteht, in der Lage ist, das Risiko für die Entstehung von Demenz zu verringern. Insgesamt wurden 899 Männer und Frauen ohne Demenz in die Studie aufgenommen, deren durchschnittliches Alter bei 76 Jahren lag. Die Beobachtungszeit lag bei 9,1 Jahren

Resultate: Die PPC Konzentrationen im Blut wurden zu Beginn der Beobachtungszeit erhoben. Ein statistisches Messverfahren berechnete dann die Wahrscheinlichkeit für Demenz und Alzheimer. Die Autoren sahen 99 neue Fälle von Demenz, davon 71 Fälle von Alzheimer während der gesamten Beobachtungszeit. Die Analyse der Ergebnisse unter Einbeziehung der Plasmakonzentrationen von PPC-DHA zeigte, dass hohe Konzentrationen mit einem 47-prozentigen Rückgang des Risikos für Demenzerkrankungen verbunden war. Dieses Ergebnis war statistisch signifikant.

Alzheimer

Diese Arbeit aus dem Jahr 2014 untersuchte eine verwandte Substanz (Phosphatidylserin) bei Patienten mit Alzheimer über den Zeitraum von drei Monaten: Positive effects of soy lecithin-derived phosphatidylserine plus phosphatidic acid on memory, cognition, daily functioning, and mood in elderly patients with Alzheimer’s disease and dementia.

Es zeigte sich ein positiver Einfluss bei Gedächtnisleistung, Gemütszustand und Wahrnehmungsfähigkeit bei den betagten Teilnehmern/Patienten. Eine kurzfristige Supplementierung zeigte einen stabilisierenden Effekt bei den täglichen Funktionen, dem emotionalen Status und dem selbst eingeschätzten generellen Befinden.

Die Autoren sehen Grund zu der Annahme, dass diese Ergebnisse weitere Untersuchungen zu dieser Themenstellung rechtfertigen.

Diese Arbeit aus dem Jahr 2016 untersuchte sechs verschiedene Varianten von Ceramiden (eine Untergruppe der Sphingolipide, ein naher Verwandter von PPC) und drei Varianten von PPC mit unterschiedlicher Länge der Fettsäuren und Sättigungsgrad: Association between Plasma Ceramides and Phosphatidylcholines and Hippocampal Brain Volume in Late Onset Alzheimer’s Disease.

Gemessen wurden diese Substanzen aus dem Blut von 412 Teilnehmern, davon 205 mit Alzheimer und 207 gesunden Probanden als Kontrolle.

Es zeigte sich, dass zwei Formen von PPC bei den Probanden mit Alzheimer signifikant verringert war im Vergleich zur Kontrollgruppe. Gleichzeitig beobachteten die Autoren eine Atrophie des Hippocampus. Bestimmte Formen von Ceramiden war nur bei jüngeren Alzheimer-Patienten mit einer Atrophie des Hippocampus verbunden. Bei älteren Teilnehmern mit Alzheimer zeigten der Mangel von allen drei Formen von PPC diese Atrophie.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass erhöhte Konzentrationen von Ceramiden und erniedrigte Konzentrationen von PPC bei allen Alzheimer-Patienten zu finden war. Die Autoren kommen weiter zu dem Schluss, dass eine Dysregulation zwischen PPC- und Ceramid-Metabolismus einen Beitrag zur Ausbildung von Alzheimer zu leisten scheint.

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Lebererkrankungen und Darmentzündungen

Es gibt noch eine weitere Reihe von Arbeiten im Zusammenhang mit Lebererkrankungen und Colitis ulcerosa.

Diese Arbeiten sind aber entweder Laborarbeiten oder Arbeiten, bei denen Labortiere die „Testpersonen“ waren. Weitere klinische Studien mit dieser Substanz zu verschiedenen Fragen und Indikationsstellungen scheint es kaum zu geben.

Allerdings wurden 2010 die ersten Ergebnisse einer klinischen Studie veröffentlicht, die sich mit PPC als entzündungshemmende Substanz gegen Colitis ulcerosa befasst (Lipid based therapy for ulcerative colitis-modulation of intestinal mucus membrane phospholipids as a tool to influence inflammation.).

Diese Kooperation der Universitätsklinik Heidelberg mit Pharma-Unternehmen zeitigte inzwischen ein marktreifes Präparat. Vorherige Versuche, die Colitis ulcerosa durch orale Medikationen zu lindern, waren wenig erfolgreich. Denn der Wirkstoff wurde im Dünndarm bereits weitestgehend verdaut. Die heute verfügbaren Präparate setzen die Wirk-Substanz erst im Dickdarm frei. Eine andere mögliche Anwendung sind Zäpfchen, mit denen die wirksame Substanz direkt in den End- und Dickdarm gelangt (https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/apotheke/Rezeptur-Vorschriften/Lecithin-Zaepfchen_2.pdf).

Die Pharmaka führen zum Rückgang der Entzündungen, reduzieren die häufigen Toiletten-Gänge und tragen dazu bei, Cortison und Immunsuppressiva nach Möglichkeit abzusetzen.

Phosphatidylcholin ist in hohen Konzentrationen im Schleim der Dickdarmschleimhaut enthalten. Menschen, die an Colitis ulcerosa leiden, haben immer eine zu geringe Menge des Schutz-Faktors im Dickdarmschleim. Sezerniert wird das Phospholipid im letzten Abschnitt des Dünndarms, kurz bevor er in den Dickdarm einmündet. Durch bakteriellen Abbau nimmt die Konzentration von Phosphatidylcholin bis zum Ende des Dickdarms hin stetig ab. Dies erklärt, warum die Colitis ulcerosa am Enddarm ihren Ausgang nimmt und von dort aus den Dickdarm nach oben wandert.

Phosphatidylcholin ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Dickdarmschleimes. Der Wirkstoff sorgt für eine optimale Haftung des Schleimes an der Dickdarmschleimhaut, wodurch die Darm-Barriere aufrechterhalten wird. Toxine und Krankheitserreger werden auf diese Weise am Eintritt in die Blutbahn gehindert.

Fazit

Phosphatidylcholin ist eine natürliche Substanz, die ein integraler Bestandteil von pflanzlichen und tierischen Zellmembranen ist. Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass eine Supplementierung mit entsprechenden Präparaten einem Mangel vorbeugen kann.

Die Studienlage zu der Frage, ob ein erhöhter Konsum bestimmte präventive Effekte mit sich bringt, ist momentan viel zu dünn, um dazu zuverlässige Aussagen machen zu können.

Bei Alzheimer scheint es einen Mangel an PPC zu geben, der die Entstehung und Entwicklung der Erkrankung begünstigt. Es stellt sich hier die Frage, wie es zu diesem Mangel kommt, wenn eine normale tierische und pflanzliche Ernährung genügend PPC bereitzustellen in der Lage ist.

Eindeutig gesichert ist die essenzielle Funktion von PPC in der Dickdarmschleimhaut, wo es im Mangel vorkommend die Darm-Barriere beeinträchtigt.

Fazit vom Fazit: Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass PPC ein Wundermittel ist. Vielmehr ist PPC so elementar wichtig, dass die Natur dafür Sorge getragen hat, dass ein Mangel unwahrscheinlich ist. Denn neben der Nahrungsaufnahme, die wenig Grund für einen Mangel bietet, ist der Organismus selbst in der Lage, diese Substanz zu synthetisieren. Bei bestimmten Erkrankungen halte ich aber eine Zufuhr für sinnvoll und auch überzeugend.

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Beitragsbild: 123rf.com – Seksak Kerdkanno

René Gräber

René Gräber

Seit 1998 bin ich in eigener Naturheilpraxis tätig und begleite seitdem Patienten mit den unterschiedlichsten Beschwerden und Erkrankungen. Dabei spielen zahlreiche Vitalstoffe in der Behandlung eine Rolle, die in zahlreichen Fällen enorm helfen können.

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