Die Aminosäure Tryptophan muss unbedingt in der Ernährung vorhanden sein. Der Körper bildet daraus nicht nur lebenswichtige Proteine, sondern auch Hormone und Neurotransmitter. Deswegen sollen Nahrungsergänzungsmittel mit Tryptophan bei einigen Erkrankungen helfen. Dazu zählen Schlafstörungen, Depressionen, Kopfschmerzen, Muskel-Probleme und Beschwerden der Wechseljahre.
Tryptophan (Trp oder W) mit der Summenformel C11H12N2O2 wird aufgrund seines sehr energiereichen Ringsystems zu den aromatischen Aminosäuren gezählt.
Da unser Körper es nicht selber herstellen kann, sondern über die Nahrung aufnehmen muss, bezeichnet man Tryptophan als essenziell.
Tryptophan wird für den Aufbau vieler menschlicher Proteine benötigt. So ist es Bestandteil der Muskulatur, aber auch unterschiedlichster Enzyme.
Daneben ist Tryptophan die Vorstufe (Provitamin) von Vitamin B3, der Nicotinsäure. Diese ist sowohl am Eiweiß- und Kohlenhydrat- als auch am Fettstoffwechsel beteiligt. In den Mitochondrien ist Vitamin B3 als Teil des Coenzyms NAD vertreten. Dort wirkt der Vitalstoff als Wasserstoff-Donator und hilft so im letzten Schritt der Atmungskette mit. Dieser Prozess ist unser Hauptlieferant für Stoffwechsel-Energie.
Auch bei der Neubildung von Haaren und Muskeln spielt Vitamin B3 eine wichtige Rolle. Als NAD (Nicotinsäureamid-Adenin-Dinukleotid) ist es ein wichtiges Coenzym, das im Stoffwechsel an vielen Redox-Reaktionen beteiligt ist. Daneben hat der Vitalstoff Bedeutung für die kognitive Leistungsfähigkeit und erhöht die physische Kondition.
Lebensmittel als Tryptophan-Quellen
Zu den tryptophanreichen Lebensmitteln zählen vor allem Fleisch vom Rind, Lamm und Geflügel. Diese Protein-Träger liefern bis zu 300 mg Tryptophan pro 100 g Frischgewicht. Auch Fisch ist eine gute Quelle der Aminosäure, die besonders in Thunfisch (300mg/g), Lachs (260 mg/100 g) und Kabeljau (240 mg/100 g) enthalten ist. Ebenfalls hoch ist der Gehalt in Eiern (230 mg/100 g) und Schnittkäse (bis zu 400 mg/100 g) sowie Weichkäse (bis zu 250 mg/100 g). Dabei rate ich zu Bioprodukten. Von Milch als Nahrungsmittel rate ich aber generell ab. Die Begründung finden Sie in meinem Milch-Beitrag.
Vegetarische Tryptophan-Lieferanten sind Hülsenfrüchte wie Bohnen (230 mg/100 g) und Erbsen (100 mg/100 g), Vollkornhafer (190 mg/100 g), Cashew-Kerne (450 mg/100 g) und Walnüsse (170 mg/100 g). Daneben enthalten Vollkornreis (90 mg/100 g), Quinoa (100 mg/100 g) und Mais (70 mg/100 g) zureichende Mengen der Aminosäure. Hohe Konzentrationen Tryptophan sind auch in der Blaualge Spirulina (750 mg/100 g Trockengewicht) enthalten.
Wenn jede Mahlzeit 20 bis 30 Gramm Protein enthält, ist die Versorgung mit Tryptophan und auch anderen Aminosäuren gesichert.
Gleichzeitig sind naturbelassene Gemüse und Obst wichtig, weil die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe den Tryptophan-Transport über die Blut-Hirn-Schranke fördern. Meinungen, denen zufolge der Nährstoff-Mix zu einer verringerten Aufnahme über die Hirnhäute führt, sollen hier einmal dahin gestellt sein. Nach dieser Ansicht kommt es zur „Überlastung“ der Transport-Wege (Protein-Kanäle), wodurch die verschiedenen Nährstoffe quasi in Konkurrenz stehen.
Tryptophan-Mangel
Ein Tryptophan-Defizit tritt bei herkömmlicher Kost nicht auf, allenfalls bei extremer Unter- oder Fehlernährung. Wenn der Blutplasma-Wert unter 80 µmol/l sinkt, ist hierzulande meistens eine Resorptions-Störung im Darm verantwortlich. In Betracht kommen dabei genetische Erkrankungen wie das Hartnup-Syndrom. Die Erbkrankheit ist durch unzureichend funktionierende Transport-Proteine in den Membranen der Schleimhautzellen im Dünndarm gekennzeichnet, wodurch mehrere Aminosäuren kaum noch aufgenommen werden können. Beim Drummond-Syndrom ist nur der L-Typ-Aminosäure-Transporter betroffen, der spezifisch für die Resorption von Tryptophan zuständig ist. Es kommt zu Magen-Darm-Störungen und anderen Symptomen des Tryptophan-Mangels wie Wachstumsstörungen, psychischen Krankheiten, Lähmungen, Herzrhythmus-Störungen und Blutdruckabfall.
Die Resorptions-Störungen bedürfen einer Tryptophan-armen Kost und einer intravenösen Gabe von der Aminosäure. Eine Mangel durch Fehlernährung kann durch eine eiweißreiche und vitalstoffreiche Ernährung beseitigt werden.
Tryptophan-Überschuss
Ein gefährlicher Anstieg des Tryptophan-Spiegels kommt meistens vor, wenn Nahrungsergänzungsmittel überdosiert werden. Die Folge ist eine zu starke Zunahme der Serotonin-Produktion, die zu Herzrasen, Unruhe, Verwirrtheit, Blutdruckabfall und Magen-Darm-Störungen führen kann. In dem Fall muss der Arzt einen Serotonin-Antagonisten geben.
Ausgangsstoff für Serotonin
Tryptophan ist im Stoffwechsel Ausgangsstoff für Gewebshormon Serotonin und Melatonin. Eine Übersicht über diese Reaktion zeigt diese Grafik:
Serotonin reguliert viele Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems, vor allem den Blutdruck.
In verschiedenen Geweben kann Serotonin aber unterschiedliche Wirkungen auf die Blutgefäße haben. Dies hängt mit den dort vorkommenden Rezeptoren zusammen, an die das Hormon bindet, um dadurch bestimmte Signalprozesse auszulösen.
In Niere und Lunge fördert Serotonin auf diese Weise die Verengung der Blutgefäße, während es diese in der Muskulatur weitet.
Tryptophan beschleunigt daher indirekt die Wundheilung und die Blutgerinnung, ebenso hat das Hormon positive Wirkung auf die Darmbewegung. Über den hormonellen Effekt fördert die Aminosäure die Sexualfunktion und die Fettverbrennung. Die Produktion von Stress-Hormonen wird über den Serotonin-Weg herabgesetzt.
Auch als Botenstoff im Gehirn hat Serotonin vielfältige Aufgaben. Da es stimmungsaufhellend wirkt und Emotionen positiv beeinflusst, wird es auch als Glückshormon bezeichnet. Es hat nicht nur einen antidepressiven Effekt, sondern dämpft auch das Hungergefühl, insbesondere den Heißhunger auf Zucker. (1)
Umgekehrt kann ein Mangel zu Niedergeschlagenheit, in extremen Fällen möglicherweise auch zu Depression führen.
Tryptophan im Übermaß kann zu Schläfrigkeit führen, weshalb es auch als (leichtes) Schlafmittel anerkannt ist.
Da die Aminosäure ihren Abbau selber reguliert, ist eine Überdosierung kaum möglich.
Da auch das Hormon Melatonin aus Serotonin gebildet wird, ist Tryptophan auch Ausgangsstoff dieses wichtigen Hormons. Die Produktion von Melatonin wird durch Tageslicht gehemmt, sodass es nachts in etwa zehnmal höheren Konzentrationen gebildet wird. Dementsprechend ist seine wichtigste Aufgabe, unseren Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren. (2)
Erstes Zwischen-Produkt der Biosynthese von Serotonin und Melatonin aus Tryptophan ist zunächst das L-5-Hydroxytryptophan (5-HTP).
Therapeutisch wird eher 5-HTP verwendet als die proteinogene Aminosäure Tryptophan, und zwar vorwiegend bei psychischen Problemen und den damit zusammenhängenden Beschwerden. Vor allem bei Schlafstörungen kann 5-HTP hilfreich sein und sogar eine Schlaf-Apnoe lindern.
Auch nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) geht unter der Medikation zurück.
Daneben sind Angststörungen und Depression bekannte Indikationen. Dabei hat sich die Aminosäure gegenüber einigen Antidepressiva als vorteilhaft erwiesen. Bei gleicher Wirkung hat 5-HTP weniger bis gar keine Nebenwirkungen. Besonders bei psychischen Problemen, die mit einem Reizdarm und Herzkrankheiten einhergehen, wird 5-HTP eingesetzt. Die Aminosäure kann auch die Beschwerden im Rahmen der prämenstruellen dysphorischen Störung lindern.
Aber auch bei Spannungskopfschmerzen, Migräne, ADHS, Wechseljahrsbeschwerden und Muskel-Rheuma (Fibromyalgie) können mit 5-HTP gute Erfolge erzielt werden.
Eine Entwöhnung bei Suchterkrankungen kann mit der Aminosäure ebenfalls unterstützt werden, weil das Verlangen nach dem Rauschmittel reduziert wird. Die Kombination mit Johanniskraut verbessert diese Wirkung und reduziert auch die im Entwöhnungs-Prozess auftretenden Depressionen. Eingesetzt wird 5-HTP daher auch bei Nikotin-Entzug, weil eine emotionale Stabilisierung eintritt. Bei Bulimie kann 5-HTP dazu beitragen, die Ess-Attacken durch Senkung des Hungergefühls zu bekämpfen. Deswegen wird das Mittel auch als Präparat bei Reduktions-Diäten eingesetzt.
Eine Supplementierung mit L-Tryptophan gilt zwar als weniger effektiv, wird aber bei den genannten Indikationen ebenfalls verwendet. Bei Schlafstörungen galt die Aminosäure im Vergleich zu Melatonin als überlegen, weil zusätzlich das Immunsystem und die Verdauung unterstützt werden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass auch 5-HTP keine Dauerlösung ist.
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Die Problematik der Tryptophan-Einnahme
Die Grafik verdeutlicht, dass 99 % des verfügbaren Tryptophans innerhalb der beschriebenen Reaktions-Kette zu Kynurenin umgewandelt wird. Diese Aminosäure kommt in Eiweißen nicht vor, ist aber Ausgangsstoff für weitergehende Biosynthesen. Über das Zwischen-Produkt Quinolinsäure vollzieht sich die Umwandlung zu Vitamin B3. Unter bestimmten Bedingungen läuft diese Vitamin-Produktion verstärkt ab. Bei entzündlichen Darmerkrankungen und gestörter Darmflora sind Enzyme hyperaktiv, die Kynurenin zu Vitamin B3 umbauen. Diese Enzyme heißen IDO (Indolamin-2,3-Dioxygenase und KAT (Kynurenin-Aaminotransferase). Mehr Vitamin B3 bedeutet natürlich, dass der Körper gut mit dem Vitalstoff versorgt ist. Der Nachteil ist allerdings eine Unterversorgung mit Tryptophan, die dann nicht mehr zur Eiweißbildung genutzt werden kann.
Eine hochaktive IDO und ein hoher Kynurenin-Spiegel sind zudem mit weiteren Risiken verbunden. Oft findet man das bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen, viralen und bakteriellen Infektionen, Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und mitochondrialen Störungen. Grund dafür ist wohl, dass Kynurenin die Immun-Balance ins Wanken bringt. Der angeborene Teil des Verteidigungs-Repertoires (TH1/TH17-Achse) wird durch die Aminosäure unterdrückt, während die lernfähigen Komponenten (TH2-Achse) stärker aktiviert werden. Die Folgen sind eine erhöhte Anfälligkeit für Viren und Krebs.
Kynurenin ist in angemessenen Konzentrationen nicht bedenklich. Denn daraus produziert der Körper die Kynurenin-Säure, die Nerven schützt, freie Radikale abfängt, Entzündungen dämpft, Schmerzen unterdrückt und die Mitochondrien vor Schäden bewahrt.
Das für die Synthese der Kynurenin-Säure (ein NMDA-Rezeptor-Antagonist) erforderliche Enzym KAT (Kynurenin-Oxoglutarat-Transaminase) fehlt jedoch in einigen Gehirnzellen. Deswegen entsteht dort aus Kynurenin nicht die Kynurenin-Säure, sondern die Quinolin-Säure. Das ist zwar die letzte Vorstufe für Vitamin B3, doch in sehr hohen Konzentrationen ein regelrechtes Nervengift. Quinolin-Säure (ein NMDA-Rezeptor-Agonist) in großen Mengen wird daher mitverantwortlich gemacht für Angststörungen, Depressionen und neurodegenerative Erkrankungen. Das Abbau-Produkt von Tryptophan führt auch zur Entstehung großer Mengen von Reaktiven Sauerstoffspezies, die biologische Strukturen angreifen und schwächt damit besonders die Mitochondrien. Die Atmungskette in den Zellorganellen funktioniert dann nicht mehr ordnungsgemäß.
Dosierung
Bei Schlafstörungen, Migräne, Depressionen, prämenstruellem Syndrom, dysphorischer Störung, prämenstruellem Syndrom und chronischen Schmerzen sowie zur Appetit-Zügelung empfehlen Hersteller 1 bis 2 Gramm vor dem Schlafengehen einzunehmen. Die meisten Präparate enthalten 500 mg pro Kapsel.
Tryptophan im Zusammenwirken mit Medikamenten, die den Serotonin-Spiegel erhöhen, ist äußerste Vorsicht angebracht. In Betracht kommen hier Sedativa, Anti-Parkinson-Mittel und Antidepressiva. Dies kann zum lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom führen. Daher sollte der Arzt gefragt werden, ob bei entsprechenden Medikationen Tryptophan eingenommen werden kann. Auch Menschen mit Leber- oder Nierenschädigungen sowie werdende oder stillende Mütter sollten mit der Einnahme vorsichtig sein.
Wenn der Arzt die Einnahme für unbedenklich erklärt hat, können Nahrungsergänzungsmittel mit Tryptophan nach der Vorschrift der Produzenten eingenommen werden. Dennoch ist die Einnahme von Tryptophan inzwischen allgemein in Verruf geraten. Denn es müssten ständig die entsprechenden Stoffwechselbedingungen überprüft werden, wie die Aktivität der Enzyme des Tryptophan-Stoffwechsels und der Vitamin-Status. Bei abweichenden Werten muss dann mit zusätzlichen Supplementationen interveniert werden. Eventuell sind Vitamin-Gaben erforderlich oder pflanzliche Präparate zur Ausbalancierung des Immunsystems.
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Quellen:
(1) Marino A. G. & Russo I. C.: Serotonin: New Research; Nova Science Publishers Inc; 2009.
(2) Melatonin in Humans. Proceedings of the First International Conference on Melatonin in Humans, Springer Verlag, 1985
Beitragsbild: 123rf.com – Alexander Raths
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 09.01.2024 aktualisiert.