Übersäuerung und mitochondriale Aspekte der Alpha-Liponsäure
Auf YouTube existiert seit Ende 2019 ein Video[1], wo ein Biochemiker „den wahren Grund für Übersäuerung“ erklärt. Er betont, dass nicht die Ernährung die primäre Rolle spielt, sondern vielmehr der Mangel an Alpha-Liponsäure. Wenn er recht hat, dann müssten alle Zeitgenossen, die an einer Übersäuerung leiden, einen entsprechenden Mangel an Alpha-Liponsäure haben. Und dann erhebt sich die Frage: Woher kommt dieser Mangel?
Das Thema „Übersäuerung“ ist für die Schulmedizin überhaupt kein Thema. Denn für sie gibt es keine Übersäuerung, höchstens eine Azidose, also eine Übersäuerung mit Notfallcharakter, wie sie zum Beispiel bei einem diabetischen Notfall mit extrem hohen Blutzuckerkonzentrationen auftreten.
Warum die Schulmedizin die Übersäuerung für ein Märchen hält, das habe ich in diesem Beitrag beschrieben:
Warum ich die Übersäuerung nicht für ein Märchen halte, sondern für relevant, das habe ich in diesem Beitrag beschrieben:
Es gibt Möglichkeiten, das Puffersystem des eigenen Organismus zu unterstützen und eine Übersäuerung, zu mindestens kurzfristig, abzufedern:
- Natriumhydrogencarbonat zur Entsäuerung?
- Entgiftung mit Natron? Fakten und Erfahrungen
- Natron oder Backpulver? Der feine Unterschied
Langfristig erscheint es jedoch sinnvoller, die Ernährung so um- oder einzustellen, dass mehr basische Lebensmittel (rund 75 Prozent) konsumiert werden, um die Pufferkapazitäten des Organismus nicht zu sehr zu strapazieren:
Die Rolle von Alpha-Liponsäure bei der Energiegewinnung
Ich hatte einen Überblick über diese Substanz gegeben:
In diesem Beitrag habe ich gezeigt, dass die Alpha-Liponsäure einen enormen Umfang an Aufgaben im Organismus zu bewältigen hat, die über die „Helferfunktion“ bei der Energiegewinnung hinausgeht. Studien bei einer Reihe von gesundheitlichen Problemen haben gezeigt, dass die Alpha-Liponsäure hier gute Dienste leisten kann. Alleine aus diesem Grund ist diese Substanz lebens- und überlebenswichtig.
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Welche Rolle jedoch spielt die Alpha-Liponsäure bei der Energiegewinnung? Hierzu müssen wir ein wenig in die Biochemie des Organismus gehen.
Am Anfang steht die Glucose, die dem Organismus als Energielieferant zugeführt wird. Die Glucose hat den großen Vorteil, dass bei ihrer Verstoffwechselung zu Pyruvat zwei Moleküle ATP, zwei NADH (ein Coenzym zur Elektronenübertragung), zwei Wasserstoff-Protonen und zwei Moleküle Wasser gebildet werden.
Dies ist der Grund, warum die Gabe von Glucose zu einer besonders schnellen Bereitstellung von Energie führt. Die Gewinnung von ATP hier ist unabhängig von anderen Faktoren außer NAD, der oxidierten Form von NADH. Somit kann die Glykolyse ATP 100-mal schneller bereitstellen als die oxidative Phosphorylierung in der Atmungskette.
Bislang ist die Alpha-Liponsäure noch nicht in Erscheinung getreten. Dies ändert sich, wenn wir uns die Verstoffwechselung von Pyruvat anschauen. Im Verlauf der oxidativen Decarboxylierung hat die Substanz ihren Auftritt.
Von Yikrazuul – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5372312
Diese Abbildung zeigt den biochemischen Verlauf der Verstoffwechselung von Pyruvat zu Acetyl-CoA. Diese Substanz hat eine Schlüsselrolle bei zahlreichen Stoffwechselreaktionen. Sie ist das wichtigste Zwischenprodukt im Zellstoffwechsel.
Sie entsteht allerdings nicht nur über die Zufuhr von Glucose/Kohlehydrate, sondern wird auch durch die Verstoffwechselung von Fetten und Aminosäuren gewonnen. Bei den beiden Letzteren spielt die Alpha-Liponsäure keine Rolle.
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In der hier gezeigten Abbildungen sehen wir oben links in rot die Formel für Pyruvat. Im ersten Schritt geht es eine Verbindung mit einem Vitamin B1-Derivat ein und setzt Kohlendioxid (CO2) frei (A).
Im zweiten Schritt (B) wird der „Pyruvat-Rest“ (Acetyl-Gruppe) vom Vitamin B1-Derivat getrennt und auf die Alpha-Liponsäure übertragen.
Im dritten Schritt (C) überträgt dann die Alpha-Liponsäure die Acetyl-Gruppe auf Coenzym A (CoA-SH), was zur Bildung von Acetyl-CoA führt und Dihydroliponamid freisetzt.
Im Schritt D wird die Alpha-Liponsäure wieder regeneriert, in dem das Dihydroliponamid (das „Haus“ mit den beiden SH als Fundament und der Spirale nach rechts oben abgehend) oxidiert wird. Dabei wird im Schritt E noch ein Molekül NADH gewonnen.
Acetyl-CoA wird dann weiter im Citratzyklus und der Atmungskette zur Energieproduktion verwendet.
Was bedeutet das Fehlen von Alpha-Liponsäure?
Fehlt die Alpha-Liponsäure, dann kommt diese Kettenreaktion an Punkt B zum Erliegen. Ohne alternative Verstoffwechselung von Pyruvat würde sich die Substanz anreichern und schlussendlich auch die Glykolyse zum Erliegen bringen. Und das wäre dann das Aus für die ATP-Produktion in diesem Bereich. Eine solche Entwicklung würde dann enorme Einschränkungen für den Organismus bedeuten.
Der Ausweg hier, der dieses Szenario verhindert, lautet „Milchsäuregärung“. Hierbei wird Pyruvat von einem Enzym, der Lactatdehydrogenase, und NADH zu Laktat umgewandelt (reduziert). Dieses Szenario stellt sich auch bei einem Sauerstoffmangel ein, der eine oxidative Decarboxylierung ebenfalls unmöglich macht.
Hierbei werden immerhin noch zwei Moleküle ATP gewonnen. Ebenso wichtig ist, dass der damit durchgeführte Abbau von Pyruvat die Glykolyse aufrecht erhält, da diese ebenfalls von der Anwesenheit von NAD abhängig ist, welches ebenfalls als „Nebenprodukt“ der Laktat-Synthese anfällt.
Laktat selbst kann von den Zellen nicht weiter verstoffwechselt werden. Falls jedoch ausreichende Mengen an NAD vorliegen, kann Laktat zurück zu Pyruvat umgewandelt werden. Die Bildung von Laktat wird auch als eine „Stoffwechselsackgasse“ bezeichnet.
Die Milchsäure (Laktat ist das Salz der Milchsäure) wird als Lebensmittelzusatzstoff eingesetzt (Bezeichnung E 270). Die Säure hat einen so niedrigen pH-Wert, dass sie in der Lage ist, den pH-Wert von Lebensmitteln auf 4 zu senken und damit zu konservieren.
Die Bildung von Laktat in unserem Organismus aufgrund von anaeroben Bedingungen und/oder dem Mangel von Alpha-Liponsäure stellt somit die Pufferkapazitäten des Organismus auf eine ernste Probe.
Im oben erwähnten YouTube Video (4:14) zitiert der Autor einige Studien, die sich auf den pH-Wert und dessen Veränderung aufgrund der Bildung von Laktat im Organismus beziehen. Die Studie[2] wurde an Mäusen durchgeführt und ist 2005 erschienen. Untersucht wurden hier die pH-Werte in der Muskulatur der Tiere.
Die Gabe von Alpha-Liponsäure in verschiedenen Dosierungen (0,5 und 1 Prozent) zeigte dann einen dosisabhängigen Anstieg des pH-Werts, der im Vergleich zu den Werten ohne Alpha-Liponsäure signifikant war.
Diese Beobachtungen bestätigen also, dass Alpha-Liponsäure die Bildung von Laktat und somit einen signifikanten Beitrag zur Übersäuerung des Organismus verhindert.
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Welche Signifikanz hat Alpha-Liponsäure für die Übersäuerung?
Im Verlauf des Videos (4:52) wird eine Schweizer Studie[3] zur Schweinefleischqualität zitiert, die aber bereits drei Jahre früher (2002) veröffentlicht wurde. Hier geht es um das glykolytische Potenzial von Muskelgewebe. Der Autor erweckt hier den Eindruck, dass diese Studie in Verbindung mit der 2005 veröffentlichten Alpha-Liponsäure-Studie steht, was aber nicht der Fall ist.
In der Schweizer Studie wird die Alpha-Liponsäure nicht einmal erwähnt. Die Verbindung hier wären möglicherweise die Feststellung, dass weiße Muskeln ein höheres glykolytisches Potenzial aufweisen als rote Muskeln und daher mehr Lactat bilden. Grund hierfür könnte sein, dass rotes Fleisch mehr Alpha-Liponsäure enthält als weißes Fleisch.
Eine weitere Studie[4] stellt der Autor (5:22) in einen Zusammenhang mit der ersten diskutierten Studie, bei der es um die Aktivierung von AMPK geht. Diesen Zusammenhang gibt es allerdings nicht, zumindest nicht so, wie der Autor dies in seinem Video diskutiert.
Es ist bekannt, dass Alpha-Liponsäure die Energiegewinnung[5] ankurbeln kann, indem es die AMPK in der Muskulatur aktiviert.
AMPK steht für AMP-aktivierte Proteinkinase, ein Enzym, das Zellen vor einem ATP-Mangel schützt. Bei einem Ansteigen der AMP-Konzentrationen in den Zellen aktiviert AMPK Mechanismen, die zur vermehrten Produktion von ATP führen. Wie es aussieht kann die Alpha-Liponsäure dies ebenfalls bewerkstelligen, ohne dass ein ATP-Mangel in der Zelle vorliegt.
Diese Aspekte jedoch scheinen mit der Übersäuerung nichts zu tun zu haben. Vielmehr zeigen sie, dass die Alpha-Liponsäure, wie bereits eingangs erwähnt, mehr kann als „nur“ den Abbau von Pyruvat zu Acetyl-CoA zu vermitteln.
Auch die Tatsache, dass bei starker körperlicher Belastung Laktat entsteht oder bei anaeroben Prozessen die Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA nicht funktioniert, sondern durch eine Umwandlung zu Laktat ersetzt wird, zeigt, dass hier die Alpha-Liponsäure, auch wenn sie in hohen Konzentrationen vorliegt, keinen Einfluss auf diese Prozesse hat.
Oder mit anderen Worten: Die Alpha-Liponsäure kann nur zu einem Teil, der allerdings nicht insignifikant ist, die Übersäuerung des Organismus verhindern. Dieser Teil bezieht sich ausschließlich auf die Verstoffwechselung von Glucose/Kohlehydrate, wie dieses nächste Schaubild verdeutlicht:
Von Peter krimbacher – Selfmade with Inkscape, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1790261
Das Schaubild zeigt, dass die Energiegewinnung über Fettsäuren und Proteine über andere biochemische Reaktionen vollzogen wird, bei denen Pyruvat keine Rolle spielt. Und damit spielt auch die Alpha-Liponsäure für die beiden anderen Formen der Energiegewinnung keine Rolle.
Dieser Sachverhalt legt auch nahe, dass eine Ernährung primär über Kohlehydrate dieses System überlastet und damit vermehrt zur Bildung von Laktat führt und damit zur Übersäuerung beziehungsweise zur Überlastung der Pufferkapazitäten.
Eine Ernährung, die mehr auf Fettsäuren und Proteinen beruht, umgeht diese „Falle“. Damit kann ich mich nicht den Ausführungen des YouTube-Autors anschließen, der meint, dass eine „falsche Ernährung“ keine so große Rolle bei der Übersäuerung (2:17) spielt.
Fazit
Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA ist eine von vielen Aufgaben von Alpha-Liponsäure. Ein Mangel der Substanz ist immer mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Bildung von Laktat und damit einer Übersäuerung verbunden. Studien hierzu gibt es nur wenige. Und wenn es einige wenige gibt, dann nur an Tieren. Aber auch ohne eine breite Studienbasis ist dieser Mechanismus gut nachvollziehbar und die Bedeutung von Alpha-Liponsäure erkennbar.
Das hier diskutierte YouTube Video zeigt diesen Zusammenhang sehr gut. Leider werden hier Studien, die nicht zusammen gehören, so zusammen gebracht, dass der Zuschauer glauben muss, dass es hier bereits einen entsprechenden Komplex an Studien zu diesem Thema gibt. Auch die im Video gebrachten Verweise zwischen den einzelnen Studien sind so gestaltet, dass dieser Eindruck entsteht.
Und die Behauptung, dass eine falsche Ernährung für eine Übersäuerung weniger relevant sei, sondern der Mangel an Alpha-Liponsäure, lässt bei mir den Verdacht entstehen, dass es sich hier um eine Werbeveranstaltung für ein noch in Arbeit stehendes Alpha-Liponsäure-Produkt handelt. Auch hierzu gab es den entsprechenden Hinweis vom Autor.
Fazit vom Fazit: Schade, das Video hätte ohne diese Verzerrungen eine exzellente Darstellung der Aufgaben von Alpha-Liponsäure in diesem spezifischen Bereich sein können.
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Kleine Anmerkung: Die Sache mit den „5 Wundermitteln“ ist mit Abstand der beliebteste Newsletter, den meine Patienten gerne lesen…
Quellen:
- [1] Chemiker erklärt den wahren Grund für Übersäuerung – YouTube
- [2] Effect of dietary ?-lipoic acid on growth, body composition, muscle pH, and AMP-activated protein kinase phosphorylation in mice1 | Journal of Animal Science | Oxford Academic
- [3] Schweinefleischqualität – Einfluss des glykolytischen Potenzials
- [4] The AMP-activated protein kinase (AMPK) signaling pathway coordinates cell growth, autophagy, & metabolism
- [5] Alpha-lipoic acid increases energy expenditure by enhancing AMPK-PGC-1? signalling in the skeletal muscle of aged mice
Dieser Beitrag wurde am 15.01.2023 erstellt.
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