Krieg der Antioxidantien – ORAC gegen TOSC

ORAC ist das neue Zauberwort, wenn es um die Bewertung von anti-oxidativen Qualitäten von Nahrungsmitteln geht. Das Akronym steht für „Oxygen Radical Absorbency Capacity“, was so viel bedeutet wie die Fähigkeit einer Substanz oder eines Nahrungsmittels, freie Radikale zu absorbieren. Je höher der Wert ist, desto stärker ist die anti-oxidative Wirksamkeit und desto gesünder ist das Nahrungsmittel für den Organismus. Inzwischen gilt dieser Standard auch für das US Ministerium für Landwirtschaft und wurde somit als eine Art „Gold-Standard“ für die Beurteilung von Nahrungsmitteln.

ORAC-Werte können sowohl so verstanden werden, dass sie die Zeit angeben, die sie mit freien Radikalen in Kontakt stehen, als auch die Menge an Antioxidantien in der jeweiligen Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel azeigen. Damit spiegelt ein höherer Wert auch eine bessere anti-oxidative Wirksamkeit wider.

Und wenn man sich einmal die Wertetabellen anschaut, dann scheinen besonders Früchte mit einer helleren Pigmentierung die Top-Plätze zu besetzen: Beeren, rote Trauben, Kirschen und Äpfel, um einige wenige Beispiele zu nennen.

Auf der Webseite http://www.oracvalues.com/sort/food wird eine Liste an Nahrungsmitteln aufgeführt und deren ORAC-Werte, die den geneigten Leser natürlich dazu verführen kann, sich gezielt die Nahrungsmittel mit den höchsten ORAC-Werten rauszupicken und die mit den niedrigsten gezielt zu umgehen. Genau diesen „logischen Schritt“ haben dann allerdings auch die Marketingstrategen für Nahrungsergänzungsmittel gemacht.

Die bewarben bzw. bewerben immer noch ihre Produkte und argumentieren, dass diese besonders gesund seien, da der ORAC-Wert besonders hoch ausfällt. Interessant ist dabei, dass jeder Anbieter fast immer den höchsten Wert präsentieren kann, gerade so, als ob 100-Meter-Sprinter alle gleichzeitig über die Ziellinie laufen.

Denn alle sind die Besten, alle sind die Gewinner. Wie kurios und aberwitzig diese Werte und die daraus abgeleitete Argumentation sein muss, lässt sich schnell aus der eben erwähnten Liste ablesen. Hier einmal einige wenige Werte zum Vergleich: (alle Werte gerundet)

Rotwein – zwischen 2600 und 4500
Vollkornbrot – 1400
Karotten roh – 700
Brokkoli roh – 1500
Schokolade, dunkel – 20800
Shiitake Pilz – 750

Dieses kleine Sortiment hat einen eindeutigen Gewinner: Die Schokolade, vorausgesetzt, sie ist dunkel. Aber auch der Rotwein ist nach diesen Angaben als deutlich gesünder einzuschätzen als z.B. rohe Karotten, Brokkoli, Vollkornbrot und Shiitake-Pilze. Der logische Schluss liegt somit auf der Hand: der Alkoholiker hat recht, wenn er sagt: „Das bisschen, was ich ess, kann ich auch trinken“, vorausgesetzt es ist Rotwein.

Aber wie kommen dann Karotten und Brokkoli in den Ruf, besonders gesund zu sein? Inzwischen pfeifen es ja die letzten Spatzen von den Dächern, dass Brokkoli mit seiner anti-oxidativen Wirksamkeit sich besonders gut bei der Prophylaxe gegen eine Reihe von Krebsformen bewährt hat. Karotten sollen für die Augen gut sein, weil das Beta-Carotin ebenfalls einen anti-oxidativen Schutz gegen die Schädigung der Sehnerven haben soll.

Shiitake-Pilze teilen in dieser Liste das Schicksal von Karotten. Auch sie haben angeblich keine nennenswerten anti-oxidativen Eigenschaften. Schaut man sich aber einmal die wissenschaftlichen Studien an, in denen dieser Heilpilz bei der Prophylaxe und Therapie von Krebserkrankungen zum Einsatz kommt, da zeigt dieser Pilz wundersamerweise eine Wirksamkeit, die man aufgrund dieser Zahlen niemals hätte erwarten dürfen.

Als Marketingmanager, der gerne Schokolade und Rotwein verkaufen möchte, würde ich es bei dieser Liste belassen und dem potentiellen Käufer einbläuen, dass Karotten und Brokkoli etc. nicht schlecht, aber schlechter als meine Produkte sind. Aber nicht nur das selektive Kürzen von Listen zum Vorteil des eigenen Produktes ist eine Falltür. Es gibt noch eine Zweite.

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Was ist faul im Staate ORAC?

Die ORAC-Werte sind halt einfach nicht die umfassenden, allmächtigen und alles-sagenden Werte für die anti-oxidative Wirksamkeit von Substanzen. Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass es Tausende von pflanzlichen Nährstoffen gibt, die von der Wissenschaft immer noch nicht vollständig erschlossen und analysiert worden sind.

Das heißt letztendlich, dass diese ORAC-Werte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können und damit das anti-oxidative Bild von Nährstoffen eher verzerren als erhellen. Für das Marketing kommt dieses Verzerrspiel gerade recht, da man, wie oben angedeutet, sein Verkaufssüppchen mit diesen Werten kochen kann, ganz zu seinem Vorteil. Man manipuliert die Daten so, dass das eigene Produkt als Spitzenprodukt dasteht, indem man „Äpfel mit Birnen“ vergleicht. Da wird dann Trockengewicht mit natürlichem Gewicht verglichen.

Dies bewirkt, dass Rosinen einen deutlich höheren ORAC-Wert haben als Weintrauben, obwohl das eine die Trockenform des anderen ist. Beide haben den gleichen ORAC-Wert, aber wenn bei den Rosinen das Wasser fehlt, kommt mehr Masse pro Gewicht zusammen, was auch den ORAC-Wert scheinbar ansteigen lässt.

Aber im Prinzip hat sich durch den Wasserentzug nichts an der anti-oxidativen Potenz geändert. Für den Rosinenverkäufer kommt aber dieser Trick gerade recht, um seinem Weintraubenkollegen den Rang abzulaufen.

Damit nicht genug, denn das Schlimmste kommt erst. ORAC-Werte sind nur die eine Seite der Medaille. Denn was ORAC messen kann, sind bestenfalls die Wirkungen von hydrophilen (wasserlöslichen) Antioxidantien. Die fettlöslichen Antioxidantien werden überhaupt nicht erfasst! So wird z.B. die anti-oxidative Wirksamkeit der Carotinoide überhaupt nicht erfasst.

Jetzt wird es auch so langsam klar, warum die Karotten und auch die Pilze einen so abgeschlagenen Platz im ORAC-Zirkus einnehmen müssen. Sie sind keinesfalls schwach anti-oxidativ wirksam, sondern haben nur geringere Mengen an wasserlöslichen Antioxidantien. Dafür beinhalten sie andere, fettlösliche Antioxidantien, die ebenso wirksam sind wie die hydrophilen Kollegen in der Schokolade und im Rotwein.

Denn selbst bei sich ähnelnden Früchten gibt es die unterschiedlichsten Antioxidantien. So sind die Antioxidantien in z.B. Acai andere als die in Mangustan oder der Chinesischen Wolfsbeere. Auch die Zusammensetzung von hydrophilen und lipophilen Antioxidantien ist bei jeder Frucht unterschiedlich.

Unser Organismus ist in der Tat nicht auf ORAC-Werte programmiert, sondern benötigt eine Reihe von verschiedenen Antioxidantien, um sich ausreichend schützen zu können. Das Herumreiten auf ORAC-Werten ist wieder einmal die typische segmentielle Vorgehensweise der westlichen Schulmedizin, diesmal im alternativen Gewand (statt weißem Kittel ein grüner…).

Das hypnotisierte Hinstarren auf ORAC-Werte, die praktisch nur eine eingeschränkte Relevanz für eine gesunde Ernährung haben, fast als Zeitverschwendung anzusehen…

Von daher ist es wichtig, viele verschiedene gesunde Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, aber nicht nur wegen der in ihnen enthaltenen Antioxidantien. Solche Nahrungsmittel enthalten dazu noch andere wichtige Nährstoffe, ohne die der Organismus nicht funktionsfähig wäre. Denn der Verzehr von allen wichtigen Antioxidantien alleine reicht immer noch nicht, dem Organismus das zu geben, was er für seine Gesundheit benötigt.

Sich ganz auf die Antioxidantien zu konzentrieren, selbst in ihrer umfassenden Fülle mit allen Varianten, hieße immer noch für den Organismus, dass ihm vieles fehlen würde. Vor diesem Hintergrund ist das hypnotisierte Hinstarren auf ORAC-Werte, die praktisch nur eine eingeschränkte Relevanz für eine gesunde Ernährung haben, fast als Zeitverschwendung anzusehen.

Welche Antioxidantien es gibt und wie sie aussehen, ist einmal übersichtlich unter http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_antioxidants_in_food zusammengestellt worden, obwohl auch hier kein Anspruch auf Vollständigkeit gegeben werden kann. Aber diese kleine Sammlung zeigt schon eindrucksvoll, wie viele unterschiedliche Substanzgruppen anti-oxidative Wirksamkeit haben können. Selbst Hormone wie Melatonin (wer hätte das gedacht?) oder Albumin (ein Eiweißstoff im Blut), gehören zu den Antioxidantien.

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TOSC – wenn die Medaille ihre zweite Seite erhält

TOSC steht für „Total Oxidant Scavenging Capacity“, also die totale Kapazität, Oxidantien zu bereinigen. Neu ist dieses Konzept allerdings nicht. Schon 1999 wurde es erwähnt und für die Beurteilung von Antioxidantien verwendet (Link zur Quelle). Der Vorteil gegenüber ORAC besteht in der erweiterten Erfassung von nicht nur hydrophilen, sondern ebenfalls lipophilen Antioxidantien:

Neben der Wirkung auf hydrophile Hydroxyl-Radikale, die der ORAC-Wert erfasst, werden noch Peroxyl- und Peroxinitrit-Radikale erfasst, die mehr auf der lipophilen Seite stehen und primär für die Oxidation von Lipiden in den Zellmembranen verantwortlich sind.

Die eben zitierte Arbeit aus dem Jahr 1999 zeigt dann auch ein weiteres wichtiges Merkmal von Oxidantien und Antioxidantien: Die verschiedenen Antioxidantien sind nur in der Lage, bestimmte Formen von freien Radikalen zu neutralisieren. So zeigt sich Glutathion als ein sehr effizienter Scavenger von Peroxyl-Radikalen.

Dagegen ist die anti-oxidative Wirksamkeit gegenüber Hydroxyl- und Peroxinitrit-Radikalen eher schwach ausgebildet. Harnsäure, Trolox (ein synthetisches, wasserlösliches Vitamin-E-Derivat, welches als Referenzsubstanz bei ORAC- und TOSC-Werten gilt) und Vitamin C sind dagegen bessere Radikalenfänger für Peroxinitrit- und Peroxyl-Radikale.

Harnsäure und Trolox zeigten deutlich schwächere anti-oxidative Wirkung gegenüber Hydroxyl-Radikalen. Die klassischen Antioxidantien für Hydroxyl-Radikale sind Mannitol, Dimethyl-Sulfoxid und Benzoesäure, die einen deutlich höheren TOSC-Wert bei der Eliminierung von Hydroxyl-Radikalen zeigten als bei Peroxyl- oder Peroxinitrit-Radikalen.

Nach diesen Ausführungen stellt sich der Verdacht ein, dass die TOSC-Werte nicht nur die zweite Seite der Medaille sind, sondern dass sie beide Seiten abdecken, während die ORAC-Werte nur einseitig ein kleines Arsenal an freien Radikalen beschreiben kann.

Im Jahr 2007 erschien eine Arbeit (Link zur Quelle), die die beiden Bewertungssysteme miteinander verglich. Hierzu wurden 11 verschiedene pflanzliche Wirkstoffe gemessen und miteinander verglichen. Basis des Vergleichs war die anti-oxidative Wirkung von Trolox als Referenzsubstanz.

Die Autoren sahen, wie erwartet, eine Korrelation zwischen ORAC- und TOSC-Werten. Von allen gemessenen Substanzen hatten Quercetin, Traubenschalenextrakt und Polyphenole von grünem Tee die ausgeprägteste anti-oxidative Wirkung.

Rutin und Alpha-Liponsäure dagegen zeigten niedrige ORAC-Werte aber hohe TOSC-Werte im Vergleich zu den anderen Wirkstoffen. Die Autoren dieser Arbeit sahen ORAC- und TOSC-Messungen als eine wertvolle Hilfe für die Beurteilung der anti-oxidativen Kompetenz von pflanzlichen Wirkstoffen.

Fazit

ORAC alleine ist genau die Vereinfachung, die die Marketingexperten benötigen, um ihre Produkte mit Hilfe einer verkaufsorientierten Pseudo-Wissenschaft dem Otto-Normalverbraucher nahe zu bringen. Für eine umfassende Beurteilung von anti-oxidativen Kompetenzen scheint auf den ersten Blick das TOSC-System ausreichend zu sein.

Aber auch hier sind die ORAC-Werte wertvolle Referenzen, die das anti-oxidative Gesamtbild von Wirkstoffen nahezu vervollständigen. Aber trotz ORAC und TOSC scheint es aufgrund der Fülle der verschiedenen Formen von freien Radikalen noch kein System zu geben, dass in der Lage ist, alle in der Natur vorkommenden Radikale zu erfassen und eine schlussendlich definitiv gültige Messung aller Radikale zu erlauben.

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René Gräber

René Gräber

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7 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Avatar

    Hallo Herr Gräber,
    ich finde Ihren Blog und auch die Fastenanleitung hervorragend. Ich faste nach Ihrer Anleitung mittlerweile meist zweimal jährlich und es bekommt mir sehr gut!Zu den Antioxydantien habe ich eine kurze Frage: Ist der Glutathion-Wert in einem großen Blutbild automatisch enthalten und haben Sie darüber gehört, wie Ärzte (Hausarzt) reagieren, wenn man sie danach fragt? Und kann man Glutathion auch ohne Segen der Hausärztin zuführen?
    Meine Mutter (75) hat Parkinson und ich habe gelesen, dass der Glutathion-Spiegel oft / meist erniedrigt ist.

  2. Avatar

    Hallo Herr Gräber,
    Danke für den interessanten Beitrag bzgl. ORAC und TOSC. Aufgrund einer Autoimmunerkrankung genügt bei mir gesunde Ernährung leider nicht. Welche Nahrungsergänzungen haben Ihrer Meinung nach -neben Gluthation- die höchste Effektivität?
    Danke und schönen Abend,

    Susanne

    Antwort der Vitalstoffmedizin-Redaktion

    Liebe Susanne,

    aus der Ferne können wir Ihnen leider nicht sagen, welche Nahrungsmittelergänzungen für Sie unverzichtbar sind.
    „Effektiv“ ist das, was bei Ihnen einen Mangel ausgleicht, und das ist bei jedem Menschen anders. Vielleicht schauen Sie mal in unsere Übersicht: https://www.vitalstoffmedizin.com/45-naehrstoffe/ und lassen testen, welche Dinge Ihnen tatsächlich fehlen.

    Viele Grüße.

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